reportage
Stand: 11.08.2024 12:59 Uhr
Pünktliche Métros, volle Stadien, fröhliche Menschen: Die Spielevon Paris haben nach der politischen Unruhe im Vorfeld für einen unerwarteten Stimmungs-Boost inFrankreich gesorgt. Paris erkennt sich selbst kaum wieder.
Von Julia Borutta, ARD Paris
Nörgler, Miesmacher, Meckerfritzen - die Pariser sagen von sich selbst, "râleurs" zu sein. Doch die vergangenen zwei Wochen waren sie mit einem Lächeln auf den Lippen unterwegs.
Céline sitzt mit ihren Freunden am malerischen Canal Saint-Martin. Sie gehört zu den wenigen, die von vornherein überzeugt waren, dass diese Spiele einzigartig würden: "Es gibt so viele Pariser, die abgehauen sind, Urlaub genommen und gesagt haben: 'Das wird alles katastrophal.' Jetzt sind sitzen sie an der Côte d’Azur und sind frustriert, weil sie unsere Insta-Storys sehen,den Medaillenregen. Einige meiner Freunde haben verzweifelt versucht, doch noch Tickets zu kriegen."
Das Olympische Feuer in den Tuilerien entwickelte sich rasch zum Besuchermagneten. Kostenlose Tickets für den Eintritt zum Park waren binnen Minuten vergriffen.
"So haben wir Paris noch nie erlebt"
Verwundert nehmen die Menschen ihre Stadt ganz anders wahr als sonst. "Alles läuft unglaublich gut", sagt Céline. "Paris war noch nie so safe. An den Wettkampfstätten herrscht eine tolle Stimmung. Alle kommen prima miteinander aus - Franzosen untereinander und Touristen. Die Métro ist super sauber. So haben wir Paris noch nie erlebt."
Das ist nicht nur ein Gefühl. Entgegen aller Unkenrufe sind die Métros pünktlich. 500.000 Fahrgäste mehr als sonst um diese Jahreszeit: kein Problem. Dank extra installierter Messgeräte wurde die Taktung spontan angepasst - etwa, als der Schwede Armand Duplantis Weltrekord springt und alle Besucher später nach Hause fahren als gedacht.
Die Hoteliers haben wider Erwarten 15 Prozent mehr Buchungen als letzten Sommer und die Olympia-Einschaltquoten im Fernsehen brechen alle Rekorde. Es wurden mehr als neun Millionen Tickets verkauft - mehr als in Atlanta 1996.
"Eine schöne Dosis Glück tanken"
Der Innenminister wünscht sich für sich und seine mehr als 50.000 Polizisten und Soldaten im Einsatz eine Goldmedaille, denn außer dem Sabotageakt zu Beginn der Spiele gab es bislang keine größeren Vorkommnisse. Die Sicherheitskräfte genießen es sichtlich: Sie schießen Selfies mit den Touristen und bummeln durch die Fanzonen wie etwa auf dem Vorplatz des Pariser Rathauses.
Auch die vielen Fanzonen in der Stadt, wie hier vor dem Pariser Rathaus, waren gut gefüllt.
"Es wäre schön, diesen guten Austausch mit der Bevölkerung beizubehalten", wünscht sich einer der Polizisten. "Es gibt weniger Aggressivität, die Leute wollen wirklich entspannen. Das ändert alles." Kann diese friedliche Stimmung anhalten? Können die Olympischen Spiele mehr sein, als eine Pause von der gereizten Atmosphäre, dem politischen Streit, der sich vor den Spielen wie eine Glocke über die Stadt gelegt hatte?
Bürgermeisterin Anne Hidalgo ist nicht naiv. Doch bei ihrer Bilanzpressekonferenz weigert sie sich, das alles nur als eine kurze Auszeit zu betrachten. "Seit 14 Tagen weine ich vor Glück. Die Menschen kommen begeistert auf mich zu, jeden Tag aufs Neue", berichtet sie. "Wir können hier eine schöne Dosis Glück tanken für die kalten Winter. Dasalleswird uns noch lange das Herz erwärmen."
"Was ist bloß los mit uns?"
Zurück am Canal Saint-Martin: Céline sitzt mit Nina und Antoine zusammen. Antoine möchte den magischen Moment am liebsten festhalten. "Vor wenigen Wochen noch dachten wir, dass der rechtsnationale Rassemblement National unser Land regieren würde", erzählt er. "Das hat mir und vielen anderen Angst gemacht. Die Spiele haben in die verfahrene politische Lage eine Art Luftzug gebracht. Hoffentlich hält das an."
Nina schwärmt von all den märchenhaften Bildern, die Paris mit seiner kühnen Eröffnungsfeier auf der Seine und den Wettkampfstätten zwischen Eiffelturm, Louvre und Montmartre geschaffen hat. "Es tut so gut, dass wir Meckerfritzen uns getäuscht haben. Zu sehen, dass dieses mega-ehrgeizige Projekt geglückt ist, macht uns stolz."Es mache viel Freude, so viele Menschen willkommen zu heißen, sagt Nina - gerade vor dem Hintergrund des politischen Schlamassels der letzten Wochen. "Wir sind plötzlich so positiv, was ist bloß los mit uns?"
Vielleicht hat Paris hat einfach gewagt und gewonnen? "Wir sind immerhin Gallier", sagt Céline lachend."Unbeugsame Gallier. Wir lieben es uns selbst zu übertreffen."
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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 11. August 2024 um 13:53 Uhr.